CORONA KRISE
Die aktuelle Corona-Krise wirft einige mietrechtliche Fragestellungen auf. Im nachfolgenden Newsletter möchten wir die Beschränkung der Kündigungsmöglichkeit von Mietverhältnissen durch den geplanten Gesetzesentwurf (Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) sowie die Auswirkungen der COVID-19 Pandemie auf gewerbliche Mietverhältnisse näher darstellen.
1. Gesetzesentwurf vom 25.03.2020
Am 23. März 2020 hat der Bundestag ein Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht auf den Weg gebracht. Das Gesetz wurde im Eilverfahren vorangetrieben und vom Bundestag bereits am Mittwoch, den 25.03.2020 verabschiedet. Heute muss nur noch der Bundesrat zustimmen.
Die Regelungen sehen unter anderem vor, dass Mietern von Wohn- und Gewerbeflächen, die aufgrund der Folgen der Corona-Krise ihre Miete in den kommenden drei Monaten nicht zahlen können, deshalb nicht gekündigt werden darf. Hierzu im Einzelnen: Grundsätzlich können Mietverhältnisse nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden, wenn der Mieter für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist oder in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht. Dieses Recht des Vermieters zur Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen wird durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht erheblich eingeschränkt:
- Mietschulden, die in dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 entstehen, berechtigen den Vermieter oder Verpächter nicht zur Kündigung des Miet- oder Pachtverhältnisses sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen.
- Der Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist durch den Mieter glaubhaft zu machen.
- Von dieser Regelung kann nicht durch Individualabsprache zum Nachteil des Mieters abgewichen werden.
- Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen.
- Ausgeschlossen sind sowohl die fristlose als auch die ordentliche Kündigung, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Wohnraum oder Geschäftsraum handelt. Die Kündigung ist jedoch nur in den Fällen ausgeschlossen, in denen die Nichtleistung des Mieters auf der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie beruht. Beruht die Nichtleistung des Mieters auf anderen Gründen, zum Beispiel, weil er zahlungsunwillig ist oder seine Zahlungsunfähigkeit andere Ursachen als die COVID-19-Pandemie hat, ist die Kündigung hingegen nicht ausgeschlossen.
Die Regelung soll bis zum 30. Juni 2022 anwendbar sein. Dies bedeutet, dass wegen Zahlungsrückständen, die vom 1. April 2020 bis zum 30. Juni 2020 eingetreten und bis zum 30. Juni 2022 nicht ausgeglichen sind, nach diesem Tag wieder gekündigt werden kann. Damit haben Mieter und Pächter vom 30. Juni 2020 an über zwei Jahre Zeit, einen zur Kündigung berechtigenden Miet- oder Pachtrückstand auszugleichen.
Zudem soll die Bundesregierung die Möglichkeit erhalten durch Verordnungsermächtigung, ohne Zustimmung des Bundesrats, das Kündigungsverbot auf Zahlungsrückstände zu erweitern, die bis zum 30. September 2020 (anstatt: 30. Juni 2020) entstanden sind. Zu beachten ist jedoch auch, dass für gewerbliche Mieter im Falle der nicht fälligen Mietzahlungen weiterhin gesetzliche Verzugszinsen in Höhe von derzeit circa acht Prozent pro Jahr anfallen, für Verbraucher circa 4 Prozent pro Jahr, sofern individualvertraglich keine abweichende Regelung getroffen wurde.
Unsere Empfehlung: Da trotz der gesetzlichen Beschränkung des Kündigungsausschlusses der Mieter weiterhin zur Zahlung der Mieter verpflichtet ist, empfehlen wir den Mietvertragsparteien – auch im Hinblick auf die gesetzlichen Verzugszinsen – Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen zu treffen. Im Falle von gewerblichen Mietverhältnissen sollten solche Vereinbarungen in einem schriftformkonformen Nachtrag zum Mietvertrag getroffen werden.
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2. Mietminderung aufgrund behördlich angeordneter Schließungen:
Beruht eine Ladenschließung auf einer behördlichen Anordnung, ist für eine Mietminderung entscheidend, ob diese einen Mangel der Mietsache darstellt. Behördliche Verfügungen stellen nach der ständigen Rechtsprechung regelmäßig einen Mangel im Sinne des § 536 Abs. 1 BGB dar, wenn ihre Ursache in der konkreten Beschaffenheit, Benutzbarkeit oder Lage der Mietsache und nicht auf den persönlichen oder betrieblichen Umständen des Mieters beruhen. Dementsprechend geht die obergerichtliche Rechtsprechung bei öffentlich-rechtlichen Beschränkungen des Betriebs davon aus, dass diese grundsätzlich das Verwendungsrisiko des Mieters betreffen und nicht zu einem Mietmangel führen.
Die im Zuge der Corona- Pandemie bisher verfügten Ladenschließungen erfolgten zur Verringerung der Kundenfrequenz im Einzelhandel und zur Minimierung der im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie bestehenden Infektionsrisiken. Es wurde in den verschiedenen Verordnungen und Allgemeinverfügungen in der Regel eine Differenzierung anhand der Betriebsart vorgenommen. Ausdrücklich zulässig sollen weiterhin Geschäfte bleiben, die zur Versorgung der Bevölkerung notwendig sind, also beispielsweise Lebensmittelhandel, Banken, Getränkemärkte und Apotheken, etc.. Es handelt sich daher um rein betriebsbezogene Eingriffe seitens der Behörden, die nicht in direktem Zusammenhang mit der Mietsache stehen. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze dürfte eine Nutzungsuntersagung, die auf staatlichen Bemühungen zur Beschränkung der Ausbreitung der COVID-19 Pandemie beruht, daher ebenfalls nicht zu einem Mietmangel führen.
Vermieter sollten jedoch eine voreilige eigenverantwortliche Beschränkung der Gebrauchsüberlassung, ohne eine an sie gerichtete behördliche Anordnung vermeiden (z.B: die Schließung eines Einkaufszentrums einschließlich Lebensmittelgeschäften), da dem Mieter in diesem Fall der vertragliche Gebrauch der Mietsache entzogen wird. Der Vermieter setzt sich dadurch einem erheblichen Risiko für Mietminderungs- und Schadensersatzansprüche seitens des Mieters aus.
3. Anpassung des Mietvertrages:
Haben sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden. In besonderen Ausnahmefällen besteht deshalb die Möglichkeit einer Vertragsanpassung wegen höherer Gewalt nach den Grundsätzen der sog. „Störung der Geschäftsgrundlage“ (§ 313 Abs. 1 BGB). Der Bundesgerichtshof hat dieser Möglichkeit für Gewerberaummietverträge bisher meistens eine Absage erteilt, weil der Mieter grundsätzlich das Verwendungs- und Gewinnerzielungsrisiko trägt. Allerdings wurde der Bundesgerichtshof in seinen Entscheidungen bisher noch nie mit den Auswirkungen einer Pandemie konfrontiert. Für die Anpassung der Miete spricht jedoch, dass es sich um außergewöhnliche Umstände handelt, die wohl von keiner der Parteien bei Mietvertragsabschluss in Erwägung gezogen wurden. Im Hinblick auf Ausmaß der Corona Krise und die damit verbundene Dauer der wirtschaftlichen Belastung der Mieter, ist nicht auszuschließen, dass sich eine abweichende Linie in der Rechtsprechung entwickelt, die jedoch noch nicht absehbar ist.
4. Aktuelle Mietvertragsabschlüsse
Insbesondere bei Neuabschlüssen von Mietverträgen ist davon auszugehen, dass die Corona Pandemie allen Parteien bekannt ist. Wurde keine konkrete Regelung im Hinblick auf eine Risikoverteilung im Mietvertrag getroffen, trägt der Mieter auch weiterhin das Verwendungsrisiko der Mietsache. Insbesondere bei der Vermietung vom Reißbrett bzw. bei der Vermietung von noch auszubauenden Mietflächen ist bei der Vereinbarung von fixen Fertigstellungsterminen besonders sorgfältig zu prüfen, ob diese auch wirklich eingehalten werden können oder ob diese Fertigstellungstermine nicht besser mit einem gewissen Zeitpuffer kalkuliert werden, um so das Risiko einer verspäteten Fertigstellung zu vermeiden. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, sollten des weiteren Regelungen im Hinblick auf etwaige Bauverzögerungen im Zusammenhang mit der Corona Pandemie getroffen werden. Beispielsweise kann vereinbart werden, dass diese einen Fall höherer Gewalt darstellen, den weder Vermieter noch Mieter zu vertreten haben.
Stand: 27.03.2020, 11 Uhr