Erste Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur pandemiebedingten Beeinträchtigung von Gewerberaummietern
Nach einer Vielzahl von erstinstanzlichen Gerichtsurteilen sind nun die ersten Entscheidungen bzw. Beschlüsse der Oberlandesgerichte in zweiter Instanz ergangen.
Die Oberlandesgerichte sind der Ansicht, dass eine coronabedingte Schließungsanordnung eines Geschäfts weder einen Mangel der Mietsache iSv § 536 Abs. 1 BGB noch eine Unmöglichkeit der Leistungserbringung gemäß § 275 BGB begründet. Die Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB – insbesondere nach Einführung des Art. 240 § 7 EGBGB – seien jedoch grundsätzlich anwendbar. Entscheidend ist jedoch weiterhin eine sorgfältige Prüfung aller Voraussetzungen, insbesondere, ob ein Festhalten am Vertrag für die betroffene Partei zu einem nicht mehr tragbaren Ergebnis führt. Dies erfordert eine umfassende Interessenabwägung aller Umstände des Einzelfalls.
Nach Ansicht des Oberlandesgerichts München (Beschluss vom 17.02.2021 – 32 U 6358/20) kann eine Herabsetzung der Miete nicht nach einem objektiven Schema erfolgen, wie beispielsweise der hälftigen Herabsetzung unter vorheriger Anrechnung von tatsächlich erfolgten oder nur möglichen Hilfeleistungen. Vielmehr erfordere eine Betrachtung aller konkreten Umstände des Einzelfalls auch gerade die Beachtung der wirtschaftlichen Situation des Mieters und auch des Vermieters. Dabei kann es eine Rolle spielen, wie viele Jahre der Mietvertrag schon besteht und wie der Umsatz und Gewinn der letzten Jahre war, so dass eine Möglichkeit bestand, Rücklagen zu bilden. Dabei kann es bei einem Konzern sogar auf die Konzernmutter ankommen. Eine schematische Betrachtungsweise verbiete sich jedoch.
Nach Ansicht des Oberlandesgericht Karlsruhe (Urteil vom 24.02.2021 – 7 U 109/20) schafft Art 240 § 7 EGBG eine tatsächliche Vermutung, dass sich ein Umstand im Sinn des § 313 Abs. 1 BGB, der Grundlage des Mietvertrags geworden ist, nach dem Vertragsabschluss schwerwiegend geändert hat. Die Vermutung ist widerleglich und gilt nur für dieses reale Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB. Das normative Merkmal des § 313 Abs. 1 BGB, dass dem einen Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann, wird von der Vermutungsregelung nicht erfasst. Dabei stellt der Gesetzgeber darauf ab, dass im Rahmen der Zumutbarkeit zu prüfen sein wird, wie erheblich die Umsätze zurückgegangen sind und auch, ob der Mieter öffentliche oder sonstige Zuschüsse erhalten hat, mit denen er die Umsatzausfälle infolge staatlicher Beschränkungen jedenfalls teilweise kompensieren kann, und ob er Aufwendungen erspart hat (z.B. wegen Kurzarbeitergeld oder weggefallenem Wareneinkauf).
Die Oberlandesgerichte München und Karlsruhe kamen nach Abwägung der vorgenannten Kriterien jeweils zu dem Schluss, dass eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters ausscheide, denn die Mieter hätten nicht in hinreichendem Maße vorgetragen, dass eine Zahlung der streitgegenständlichen Miete zu für die wirtschaftlich untragbaren Ergebnissen führt. In beiden Fällen handelte es sich bei den Mietern um größere Konzerngesellschaften mit mehreren Filialen, die naturgemäß mehr Möglichkeiten zum Ausgleich der wirtschaftlichen Folgen haben.
Das Oberlandesgericht Dresden (Beschluss vom 15.02.2021 – 5 U 172/20) ist hingegen nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles der Auffassung, dass eine hälftige Teilung der Kaltmiete für den streitgegenständlichen Zeitraum angemessen sei. Keine der Parteien habe eine Ursache für die Störung der Geschäftsgrundlage gesetzt oder sie vorhergesehen. Es sei daher angemessen, die damit verbundene Belastung gleichmäßig auf beide Parteien zu verteilen