Bundesgerichtshof zur Geltendmachung der Gewerberaummiete durch den Vermieter und des Einwands der Störung der Geschäftsgrundlage durch den Mieter im Urkundenprozess.
Mit Urteil vom 16.02.2022, Az.: XII ZR 17/21, hat der Bundesgerichtshof unter anderem entschieden, dass die Statthaftigkeit des Urkundenprozesses gemäß § 592 ZPO grundsätzlich immer dann bejaht werden kann, wenn Ansprüche geltend gemacht werden, welche die Zahlung einer bestimmten Geldsumme zum Gegenstand haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei dies bei Mietforderungen der Fall.
Der Statthaftigkeit des Urkundenprozesses stehe es dabei nicht entgegen, wenn der beklagte Mieter wegen behaupteter Mängel der Mietsache eine Minderung geltend mache oder die Einrede des nichterfüllten Vertrags nach § 320 BGB erhebe. Denn nach den auch im Urkundenprozess geltenden allgemeinen Beweislastgrundsätzen müsse der Vermieter zur Begründung des Anspruchs auf Mietzahlung neben der Vorlage eines wirksamen Mietvertrags, aus dem sich die Höhe der geschuldeten Miete ergibt, nur mit den im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln i.S.d. § 592 S. 1 ZPO nachweisen, dass er seine vertragliche Pflicht, dem Mieter die Mietsache in vertragsgemäßem Zustand zu überlassen, erfüllt hat, sofern dies nicht unstreitig sei. Nach der Überlassung der Mietsache würde dagegen der Mieter die Beweislast dafür tragen, dass die Mietsache zum Zeitpunkt der Übergabe mangelhaft gewesen sei, wenn er die ihm überlassene Sache als Erfüllung angenommen habe. Nicht anders verhalte es sich für Einwendungen gegen die Miete, die der Mieter aus Unmöglichkeit oder aus einer Störung der Geschäftsgrundlage herleiten will.
Es sei daher revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, so der Bundesgerichtshof, dass das Oberlandesgericht Frankfurt am Main die auf § 313 Absatz 1 BGB gestützte Einwendung des beklagten Mieters als gemäß §§ 595, 598 ZPO nicht im Urkundenprozess statthaft behandelt und dem beklagten Mieter gemäß § 599 Absatz 1 ZPO die Ausführung seiner Rechte im Nachverfahren (§ 600 ZPO) vorbehalten habe. Dies ergebe sich bereits daraus, dass die von dem beklagten Mieter als Folge der pandemiebedingten Maßnahmen behaupteten Umsatzausfälle bestritten und nicht (allein) mittels Urkunden zu beweisen seien.
Praxishinweis:
Aus der Entscheidung ergibt sich, dass der Urkundenprozess auch bei der Geltendmachung von Mietzahlungen, welche in den Zeitraum der Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie fallen, statthaft ist. Nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs wird es einem beklagten Mieter im Urkundenprozess nicht gelingen, seine Umsatzausfälle, die zu einem Anspruch auf Reduzierung der Miete führen können, mittels Urkunden nachzuweisen. Er ist damit gezwungen, seine Rechte im Nachverfahren auszuführen.
Zu den Vorteilen eines Urkundenprozesses zählt die Schnelligkeit des Rechtsschutzes. Zu den Nachteilen zählt das Risiko des Klägers, im Fall der Aufhebung des Vorbehaltsurteils im Nachverfahren, dem Beklagten Schadensersatz für den Schaden leisten zu müssen, der dem Beklagten durch die Vollstreckung des Vorbehaltsurteils oder durch eine zur Abwendung der Vollstreckung gemachten Sicherheitsleistung entstanden ist. Es sind daher im Einzelfall die Vor- und Nachteile eines Urkundenprozesses gegeneinander abzuwägen.