Erste Entscheidungen des LG München I und des LG München II zum neu eingeführten Art. 240 § 7 EGBGB
Das Landgericht München I hat mit Urteil vom 25.01.2021, Az. 31 O 7743/20 entschieden, dass die in den Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnungen (BayIfSMV) aufgrund der Corona-Pandemie geregelten Beschränkungen für Hotelbetriebe keinen zur Minderung berechtigenden Mangel darstellen und auch kein Fall der Unmöglichkeit gegeben ist. Jedoch führen die Beschränkungen zu einer Störung der Geschäftsgrundlage i.S.d. § 313 BGB. Wie das LG München I in dieser Entscheidung herausarbeitet, bedarf es für die Frage ob und in welcher Höhe die Miete im Rahmen einer Vertragsanpassung nach § 313 Abs. 1 BGB herabzusetzen ist, eines Rückgriffs auf die allgemeinen Wertungen zur Risikoverteilung sowie einer konkreten Begründung anhand der Umstände des Einzelfalls. Damit hat das Landgericht München I nun erstmals Stellung genommen zu dem neu eingeführten Art. 240 § 7 EGBGB und entschieden, dass zwar die Anwendbarkeit der Regelungen zur Störung der Geschäftsgrundlage grundsätzlich vermutet wird, es – entgegen einiger Stimmen aus dem Mieterbereich – trotz der Vermutungsregel des Art. 240 § 7 EGBGB jedoch einer Prüfung der Voraussetzungen einer Störung der Geschäftsgrundlage im Einzelfall bedarf und damit aus dem Art. 240 § 7 EGBGB nicht per se eine Mietreduzierung auf Null geschlossen werden kann.
Das LG München I hat vielmehr nach sorgfältiger Einzelfallabwägung entschieden, dass vorliegend eine Vertragsanpassung nicht in Betracht kommt und der Mieter zur Zahlung der Miete in voller Höhe verpflichtet bleibt. Maßgeblich für die Abwägung des Gerichts war, dass der Mieter grundsätzlich verschuldensunabhängig für die eigene Zahlungsunfähigkeit haftet und das Versäumnis des Mieters, die eigene Zahlungsfähigkeit durch Bildung entsprechender Rücklagen sicherzustellen, nicht zu einem Nachteil des Vermieters führen kann. Darüber prüfte es bei der Abwägung, ob der Umsatzrückgang unmittelbar auf einer staatlichen Maßnahme oder nur mittelbar auf einem geänderten Kundenverhalten beruht. Darüber hinaus prüfte das Gericht den Auslastungsrückgang des Hotels in Vergleichszeiträumen unter Berücksichtigung einer Schätzung der (hypothetischen) Auslastung im Zeitraum der Schließung des Hotels aus unternehmerischen Erwägungen. Auch floss bei der Abwägung ein etwaiger Vorteil des Mieters, das Mietobjekt in dem Schließungszeitraum für Verbesserungen nutzen zu können sowie die Vermietung des Mietobjekts deutlich unter Marktüblichkeit ein. Nach Abwägung dieser Kriterien entschied das LG München I, dass im vorliegenden Fall eine Vertragsanpassung zugunsten des Mieters ausscheide.
Auch das Landgericht München II hat in seinem Urteil vom 28.01.2021, Az. 1 O 2773/20 maßgeblich auf den vereinbarten Mietzweck und damit darauf abgestellt, dass die Gewerberäume zum Betrieb eines Backwarengeschäfts mit Backofen und Kaffeeausschank vermietet wurden.
Das Gericht führte aus, dass der neu eingeführte Art. 240 § 7 EGBGB zwar klargestellt hat, dass der Anwendungsbereich des § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich eröffnet sein kann, wenn Gewerberäume aufgrund behördlicher Maßnahmen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie für den Betrieb des Mieters nicht oder nur mit erheblichen Einschränkungen möglich ist. Jedoch ist der neu eingeführte Art. 240 § 7 EGBGB auf Fälle der mittelbaren Betroffenheit, nämlich wenn Kunden aus Angst vor Ansteckung dem Betreib fernbleiben, nicht anwendbar. Denn den Motiven der Regelung des Art. 240 § 7 EGBGB ist zu entnehmen, dass es erforderlich ist, dass die staatliche Maßnahme die Verwendbarkeit der Räume für den Betrieb des Mieters durch hoheitliches Handeln erheblich einschränkt. Daran fehlt es jedoch, wenn bei einem Betrieb mit Publikumsverkehr die Kundschaft allein wegen sinkender Konsumbereitschaft ausbleibt. Die staatliche Maßnahme muss die Verwendbarkeit des Betriebs des Mieters einschränken und sich dafür auf die Mietsache selbst oder den in der Mietsache ausgeübten Betrieb des Mieters beziehen. Da im vorliegenden Fall Einschränkungen, die den Betrieb eines Backwarengeschäfts regelten nicht bestanden und damit der Mieter Umsatzeinbußen nur wegen des veränderten Kundenverhaltens zu verzeichnen hatte, entschied das Gericht, dass vorliegend die Grundsätze des § 313 Abs. 1 BGB – trotz der Vermutungsregel des Art. 240 § 7 EGBGB – nicht anwendbar seien und der Mieter demnach zur Mietzahlung in voller Höhe verpflichtet war.
Die beiden Urteile zeigen, dass die gesetzgeberische Klarstellung und Vermutungsregelung in Art. 240 § 7 EGBGB gerade keinen „Freibrief“ für eine Mietreduzierung darstellt, sondern dass eine Einzelfallbetrachtung nach wie vor unerlässlich ist.